Wissenschaftliche Bilanz des Forschungsateliers Infotransfront

Rahmenbedingungen grenzübergreifender Informationsströme in der Großregion SaarLorLux

 

9.-10. Oktober 2013, Metz, Universität von Lothringen


Vincent Goulet, Leiter des Forschungsprogramms Infotransfront


An den drei im Rahmen des deutsch-französischen Forschungsateliers veranstalteten Sektionen nahmen insgesamt 32 Teilnehmer teil: 12 Universitätsdozenten und Professoren, 5 Master-Studenten und 6 Personen, die in Einrichtungen der Großregion oder im Journalismus tätig sind. Die Zahl der Teilnehmer pro Workshop lag zwischen 12 und 18 (Liste und Programm im Anhang).

Sämtliche Teilnehmer präsentierten ihre jeweiligen Methoden, ihre theoretischen Rahmensetzungen, ihre Vorgehensweise bei der Korpuserstellung und bei der Durchführung ihrer Projekte, um den anwesenden Doktoranden und Studierenden größtmöglichen Einblick zu geben. Die Vorträge sowie die darauf folgenden Debatten erlaubten es, erste Resultate der laufenden Forschungsprojekte zu den unterschiedlichen Ausformungen von Informationsströmen innerhalb des europäischen grenzübergreifenden Kooperationsraums „Großregion“ zu diskutieren.

Die vorliegende Bilanz stellt eine kurze Synthese der Beiträge dar, die in Kürze in einem Sammelband erscheinen werden, und fasst die wichtigsten Diskussionen in den drei Ateliers zusammen.


Synthese: Fortdauer und Neuformierung der Grenzen

Eine erste generelle Feststellung wurde von sämtlichen Teilnehmern getroffen: der tägliche Austausch über die Staatsgrenzen der Großregion hinaus (Erwerbstätige, Konsumgüter, Kulturveranstaltungen), die wirtschaftlichen Verflechtungen, die Grenzgänger, kurz, die zahlreichen konkreten Verbindungen im Herzen der Großregion reichen nicht aus, um einen intensiven grenzüberschreitenden Informationsfluss herbeizuführen und schon gar nicht, um eine „großregionale“ Identität zu stiften. Anstatt einer „Integration“ dieser Region ist vielmehr ein Phänomen ständiger Neuformierung bzw. Multiplikation von Grenzen zu beobachten. Mehrere solcher Grenzen konnten im Zuge der Vorträge und Debatten identifiziert werden:

-    Die „digitale Grenze“ des Mobilfunks (die auch eine wirtschaftliche ist), die sich mit den nationalen Grenzen überschneidet (Corinne Martin)
-    Die Grenze beruflicher Praktiken und journalistischer Karrieren, die ebenfalls „national“ sind (Bénédicte Toullec und Vincent Goulet)
-    Die Grenzen zwischen den Werbemärkten (und den internen europäischen Vertriebsbereichen), die Frankreich, Benelux und Deutschland trennen, was die Entwicklung eines gemeinsamen interregionalen Werbemarktes verhindert (Christian Lamour)
-    Die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben, die bei Grenzgängern oft sehr ausgeprägt ist, aber sicherlich auch bei Arbeitnehmern, die keine Staatsgrenze überschreiten. Eine Grenze zwischen Arbeits-Ort und Wohn-Ort scheint sich abzuzeichnen („eine Grenzziehung zur Stressabwehr“, Corinne Martin), die zur Staatsgrenze hinzukommt.
-    Die sozialen Grenzen zwischen Einheimischen und Fremden: zum Beispiel die Gruppe der Grenzgänger im Verhältnis zu den nationalen Einheimischen (Philippe Hammann)
-    Die sozialen und kulturellen Grenzen zwischen langjährigen Anwohnern und Neuankömmlingen (wie die Portugiesen in Luxemburg oder die Türken in Deutschland)
-    Die Sprachgrenze zwischen Französisch, Deutsch und Letzeburgisch scheint sich zu verhärten – durch eine ständig abnehmende Beherrschung der Sprache des Anderen (mit Ausnahme der luxemburgerischen Bevölkerung). Auch Englisch scheint sich, außer in einigen globalen Unternehmen, nicht als lingua franca bzw. als Dienstleistungssprache durchzusetzen.
-    Die sinnlichen, affektiven, geschmacklichen Grenzen (das „Flair“, die Produkte, die nur in bestimmten Geschäften zu finden sind, der Geschmack des Kaffees, der Essiggurken, die Art und Weise Schnitzel zuzubereiten, etc.)
-    Die Grenze als geographische und physische Distanz (vor allem in Zeit und Transportkosten berechnet). Die (objektive) Entfernung als Grenze: eine schlechte Anbindung öffentlicher Verkehrsmittel, zeitraubende Staus zu den Stoßzeiten, usw.
-    Die Prägnanz der sozialen und zwischenmenschlichen Grenzen  ̶  Familie, Freundeskreis, berufliche Sozialisierung  ̶ , die eng genug sind, damit das soziale Leben ohne zu viele Anstrengungen und Konflikte geführt werden kann.

Im Großen und Ganzen scheinen die Medien also den multiplen Prozessen sozialer Differenzierung, die in den Gesellschaften der Großregion vorherrschen, unterworfen zu sein. Mehrere bestimmende Faktoren kultureller und medialer Praktiken konnten erhoben werden:

-    Der Typus der Beschäftigung, der offen sein kann gegenüber der Gesellschaft, in der sich der Firmensitz befindet (zum Beispiel ein Anwaltsbüro in Luxemburg), oder im Gegenteil eine Arbeitsstelle in einer autonomen Dienstleistungsabteilung (im Informatikbereich oder im back office einer Bank), die viel weniger Interaktion mit der Umgebung mit sich bringt.
-    Der Wohnort, der die Schulwahl der Kinder mit einschließt (ihnen durch die Wahl der Schule eine nationale Identität mitgeben), aber auch die Lebensplanung (Wo möchte ich meinen Lebensabend verbringen?  ̶   Eine Frage, die sich sowohl der Einwanderer aus der Nachbarregion als auch der aus Europa und außereuropäischen Ländern stellt).
-    Die Zeit, die für den Transport aufgewendet wird (z.B. als Freizeit, für die Lektüre des Essentiel oder für andere Aktivitäten mit dem tablet oder dem Radio).
-    Der Bezug zu den neuen Technologien (im Fall der IT)

Trotz der strukturellen Veränderungen (Wirtschaft, Verflechtungen, Lebensweisen, etc.) ohne die keinerlei grenzübergreifenden Bezüge hergestellt werden könnten, ist eine starke Hysterese des jeweiligen Habitus, das Fortdauern von Autorepräsentationen, die nicht mit dem objektiv gelebten Leben korrespondieren, festzustellen. Zum Beispiel: Man wohnt in Luxemburg, wählt aber weiterhin in seinem Dorf im Departement Moselle. Wie für viele Einwanderer bleibt die essentielle Wahrnehmung der eigenen Identität zu einem großen Teil dem Herkunftsort verhaftet.

Der interregionale Informationsfluss suggeriert demnach eine sich jedes Mal aufs Neue wiederholende Anstrengung, ein Überschreiten und nicht etwa ein Auslöschen von Grenzen. Christoph Vatter betont in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen dem französischen und dem deutschen Sprachgebrauch, da die im Deutschen gebrauchten Begriffe viel mehr das „Überschreiten“ betonen als die Integration oder die Konstruktion einer gemeinsamen Identität.


Atelier 1: Journalismus und Grenzen

Die drei Vorträge zeigten anhand dreier Fallbeispiele, wie Informationen über die Grenzen hinaus zirkulieren können: über die Gratispresse, die Organe von Grenzgängern, die Tagespresse und Regionalmeldungen.

Dieser Informationsfluss ist nicht immer evident und auch nicht von großem Umfang, was man gut anhand des Ressorts „Vermischte Meldungen“ („faits divers“) der Regionalpresse, der Spezialpresse für Grenzgänger und auch anhand der Gratispresse (obwohl diese sich zum Teil auf Ebene der Großregion entwickelt) sehen kann.
Das am häufigsten diskutierte Thema im Austausch im Verlauf des Workshops betrifft die Konstruktion eines grenzübergreifenden Medienraums. Die Beiträge haben gezeigt, dass Grenzen eine zentrale Rolle spielen. Nicht nur die Staatsgrenzen, sondern auch die Grenzen zwischen verschiedenen Systemen, seien sie politischer, kultureller, wirtschaftlicher oder sozialer Natur, die die Rahmenbedingungen der Informationsproduktion erheblich beeinflussen. Kann man von einer Manipulation eines „Grenzraums“ sprechen oder von einer Positionierung in einem solchen Raum? Gibt es Kooperationen zwischen regionalen Zeitungen? Wo situieren sich diese? Wie können die Grenzen hinsichtlich der Perspektive eines neuen grenzüberschreitenden, interregionalen Raums verschoben werden? So stellt Vincent Goulet bezüglich der „Vermischten Meldungen“ fest, dass es sehr wenig grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen den Journalisten der unterschiedlichen Länder gibt. Die Wirtschaftslogik von Informationsprodukten regt vielmehr eine geographische Spezialisierung an. Ohne den Willen und die politische Unterstützung der Institutionen der Großregion besteht kein wirtschaftlicher Grund einer journalistischen grenzübergreifenden Zusammenarbeit.

Zur Debatte über die Darstellung von interregionalen vermischten Meldungen: Sind diese dazu geeignet, ein Gefühl der Gemeinsamkeit zu erzeugen oder fördern sie nicht vielmehr die Produktion von Stereotypen? Das in einem der Vorträge angeführte Beispiel eines deutschen Radfahrers, der irrtümlich mit dem Fahrrand auf die Autobahn gekommen war und trotzdem nicht umkehrte, legt das Risiko einer Rekonstruktion von „imaginierten“ Oppositionen der unterschiedlichen Gruppen nahe. Laut V. Goulet kann tatsächlich jegliche „kulturelle Produktion“ Stereotypen produzieren, was mit der Frage der Wahrnehmungs- und Beurteilungskriterien zusammenhängt. Die Wahrnehmungen des Anderen sind ziemlich verhärtet, die „Containerstaaten“ haben nach wie vor einen erheblichen Einfluss auf die Konstruktion von Gruppen und das Zugehörigkeitsgefühl, die Hybridisierungen halten sich weiterhin in Grenzen und ihre Intensität hängt ab vom jeweiligen sozialen Milieu.

Philippe Hamman konnte aufzeigen, dass die Grenzgänger sich tendenziell zwar als autonome Gruppe mit spezifischen Herausforderungen und Themen konstituieren, dass sie aber nicht an der Konstruktion einer gemeinsamen Identität arbeiten, oder zumindest nur marginal, nämlich dann, wenn es ihnen gelegen kommt.

Deshalb scheint der Begriff „inter-regional“ passender als „grenzübergreifend“ (Französisch: „transfrontalier“), der die Überwindung von Grenzen in Harmonie zwischen den Völkern impliziert sowie die Konstitution einer neuen großregionalen Identität, was keinen Sinn machen würde, da man dadurch nur die Grenze nach außen verschieben würde. Der Begriff „inter-regional“ hingegen verweist auf die Kommunikation zwischen den verschiedenen Partnern, ohne dass deren Identitäten verschmelzen würden. Stereotypen würden dann vielleicht aktiviert werden, aber idealerweise nur, um hinterfragt und auf das Selbstbild rückgespiegelt zu werden.

Hinsichtlich des grenzübergreifenden Austauschs betont Philippe Hamman dessen gleichzeitig strukturierende und destrukturierende Dimension. So gibt es Grenzgängerströme, aber auch solche von grenznahen Anwohnern, „atypischen Grenzgängern“, deren Zahl sich ständig erhöht und die deshalb immer weniger als „atypisch“ zu bezeichnen sind. Hamman glaubt nicht, dass diese Ströme automatisch Auswirkungen haben, wie zum Beispiel ein besseres Verständnis des Anderen, sondern dass sie auch empfundene Unterschiede reaktivieren können (zum Beispiel aus Sicht eines französischen Anwohners, der a priori davon ausgeht, dass die deutschen Grenzgänger ‚Profiteure’ sind, wenn er sieht, wie ein solcher sich das schönste Haus im Ort baut). Es geht in diesem Zusammenhang also nicht um ‚Transfers’, bei denen eine Realität überwunden wird. Das europäische Niveau kann zwar ein Regulierungsniveau sein, nicht aber eines der Normalisierung – was auch nicht das Ziel ist. Europa kann nationale Protektionssysteme regulieren, wird aber nicht die gleiche Sozialversicherung für alle vorschreiben. Man kann zwischen einer pessimistischen Hypothese über die Aufrechterhaltung von Stereotypen und einer verschleiernden oszillieren: die Grenzen entwickeln und verändern sich, sie werden komplexer, aber sie bleiben erhalten.

Die Grenzen zwischen den unterschiedlichen Medien und den Rezipienten sind ebenfalls kulturell geprägt, da sich die Art und Weisen der Formgebung und der Verbalisierung der Aktualität unterscheiden. Justine Simone, die zu Diskursanalyse und Argumentation forscht, hat bei den drei Vorträgen große Unterschiede in der Argumentationsweise feststellen können. Zum Beispiel nimmt sie eine große Differenz zwischen der Argumentationslinie des Grenzmagazins des Départements Moselle und seinem schweizerischen Pendant wahr: das französische versucht eine engagierte Haltung zu honorieren, während die Schweizer eher zu einem unengagierten Diskurs neigen – man spricht dann von einer argumentativen Dimension. Hinsichtlich der vermischten Nachrichten müsste vor allem der komparatistische linguistische Ansatz vertieft werden, indem man zum Beispiel die monodischen und polyphonischen Begriffe, die unter dem Deckmantel der Objektivität einen Teil der Realität verbergen können, untersucht. In der konstitutiven Heterogenität (Bachtin) ist jeder Diskurs vom Diskurs des Anderen durchdrungen, ich spreche immer durch die Worte der Anderen. Die Kurznachricht, die sich auf die Aussagen des Kommissars stützt, ist demnach bereits argumentativ. Die Auswahl der zu befragenden Personen ist wichtig, da in jedem Diskurs, auch ohne Repräsentation, bereits eine starke argumentative Dimension vorhanden sein kann. Deshalb sind der Auswahlprozess der Quellen und deren Verarbeitung, die je nach nationaler journalistischer Kultur variiert, zentral. Der Beitrag der Linguisten könnte in diesem Sinne sehr wertvoll sein für die Vertiefung der Forschungsarbeiten zu den journalistischen Formen.


Atelier 2: Digitale Informationsflüsse in der Grenzregion

Die beiden Vorträge heben die „digitalen Grenzziehungen“ zwischen den unterschiedlichen Ländern der Großregion hervor. Die von Corinne Martin befragten Grenzgänger sind an ihrem Herkunftsort, Frankreich, verankert und erleben ihren Arbeitstag (inklusive Reise) als eine Art  „Tunnel“. Man kann sogar behaupten, dass die (Medien-)Grenze zwischen dem Arbeits- und dem Wohnort, die aufgrund der oft teuren Roaming-Gebühren entsteht, eine Möglichkeit bietet, das Privatleben zu schützen und sich vom stressigen Arbeitsalltag abzuschotten.

Die Suche nach sozialem Anschluss und nach Information über das Gast-/Arbeitsland (hier Luxemburg) ist dann möglich, wenn ein objektives berufliches Interesse am politischen und wirtschaftlichen Leben Luxemburgs besteht (zum Beispiel bei Juristen), aber die Spannung zwischen dem Herkunftsort und dem Arbeitsort (auch bei Franzosen, die im Großherzogtum wohnen) bleibt aufrecht, vor allem was den Blick in die Zukunft betrifft (die Rückkehr nach Lothringen als ständiger Wunsch, trotz einer immer stärkeren Integration in Luxemburg).

Da die Zahl der bisher durchgeführten Interviews noch gering ist, erlaubt sie noch keine generalisierenden Rückschlüsse und eine Erstellung von Paradigmen der Grenze. Corinne Martin versucht deshalb zuerst, Typologien aufzustellen und digitale Praktiken anhand von Kulturen und präzisen Existenzbedingungen zu erörtern.
Christian Lamour hebt in diesem Zusammenhang aus geographischer Perspektive hervor, dass die Grenzgänger mit drei Grenzmodellen zurecht kommen müssen: dem Grenzraum als Transitzone, mit weißen Flecken, an denen man offline ist, den Netz-Grenzen, mit oder ohne Netzverbindung (wozu auch das Internet zu rechnen ist, das in manchen Firmen nicht zugänglich ist), den gezogenen Grenzen, die Staatsgrenzen oder aber auch kulturellen Grenzen entsprechen.

Die von Thilo von Pape durchgeführte Analyse zum Gebrauch von Twitter, der vor allem die jüngere, gebildete Generation betrifft, bestätigt die Undurchlässigkeit zwischen französischer und deutscher Seite (aus methodologischen Gründen ist eine Untersuchung zu Luxemburg aufgrund der gebräuchlichen Orthographie „Lux/emb(o)urg“ schwierig). Um die Studie zu vervollständigen, müssten auch englischsprachige tweets der Großregion hinzugenommen werden, was aus technischen und korpusrelevanten Gründen aber schwierig ist.

Das kulturelle Angebot der Großregion scheint wichtig zu sein für eine mögliche Überwindung der Grenzen, aber das hängt stark von der jeweiligen Attraktivität der Stadt ab, bemerkt Alexandre Demeulenaere, belgischer Universitätsdozent an der Universität Trier. So verfügt Arlon nicht über die gleichen Trümpfe wie Metz oder Luxemburg-Stadt, um seine Bewohner an sich zu binden. Thilo von Pape und Corinne Martin stimmen trotzdem darüber ein, dass die tweets an erster Stelle Sport und Politik betreffen, gefolgt von Abendunterhaltung und nicht etwa kulturellen Veranstaltungen. Die Seiten, die kulturellen Informationen gewidmet sind, wie etwa grrrrr.eu oder plurio.net werden von den befragten Personen nur selten spontan genannt.


Atelier 3: Politische Akteure und Institutionen der grenzüberschreitenden Medienkommunikation

Dieser Workshop konzentrierte sich vor allem auf die Journalisten und ihre institutionellen Gesprächspartner mit dem Ziel, eine Soziologie (bzw. politische Soziologie) der Informationsproduktion im grenzübergreifenden Kontext zu skizzieren.

Bénédicte Toullec und Christoph Vatter stellten hinsichtlich der interregionalen Journalisten-Vereinigung der Grenzregion (IPI) fest, dass die unterschiedlichen Organisationsmodi von Pressekonferenzen diesseits und jenseits der deutschen Grenze sowie die unterschiedlichen Berufskulturen weder der Kooperation zwischen Journalisten noch der Informationsweiterleitung von einem nationalen Medienraum zum anderen förderlich sind. Die gerade laufende Befragung von Entscheidungsträgern von Nicolas Hubé und Martin Baloge in Saarbrücken, Metz und Berlin bestätigt, dass die Spielregeln in der Bundeshauptstadt und den ‚Landeshauptstädten’ der Großregion nicht die gleichen sind.

Im Fall der IPI haben die Konkurrenz zwischen den nationalen Modellen der Journalisten-Vereinigung (und die Dominanz des deutschen bzw. saarländischen Modells),  unklare Bestimmungen (Handelt es sich um eine Berufsvereinigung oder eine gemeinnützige Vereinigung, die auf die Förderung von Informationspraktiken innerhalb der Großregion zielt?), so wie auch relativ geringe Investitionen in diese Initiative seitens der Gebietskörperschaften eine Weiterentwicklung verhindert (sie wurde 2009 aufgelöst). Die Diskussionen zeugen von einer intensiven Interaktion zwischen journalistischem und politischem Feld. Die Geopolitik der Großregion (mit einer Verschiebung des Schwerpunktes von Saarbrücken nach Luxemburg) in Verbindung mit einem frühschnellen Zusammenschluss (1993 gab es noch keine ausdefinierten grenzübergreifenden Strukturen) können die Schwierigkeiten der IPI erklären.

Die von Christoph Vatter untersuchten Pressekonferenzen zeigen auch, dass sich die Sachthemen und die Illusio (Bourdieu) nach wie vor auf die nationalen Territorien stützen. Möglichkeiten der Grenzüberschreitung sind wohl vorhanden, werden aber nicht wirklich genutzt, weil sie für die jeweiligen spezifischen (politischen) Kämpfe als unwirksam angesehen werden. Die grenzübergreifenden journalistischen Praktiken bringen außerdem für die Presseunternehmen nur schwer finanzierbare Zusatzkosten mit sich. Daher ist eine entschlossene Unterstützung seitens der Behörden notwendig. Trotzdem müsste eine bessere Anerkennung der grenzübergreifenden Arbeit ihrer kompetenten Journalisten durch die Presseunternehmen möglich sein.

Abschließend haben die Beiträger eine Verwechslung zwischen „grenzübergreifend“ und „deutsch-französisch“ festgestellt (als Eponyme); etwas, das in der Tradition des Elysée-Vertrags die lokale grenzübergreifende Zusammenarbeit stört… Als Beispiel wird der deutsch-französische Journalistenpreis genannt. In ihm spiegelt sich die Opposition zwischen der (wenig renommierten) inter-regionalen Kooperation und der (viel renommierteren) internationalen, europäischen und bilateralen Zusammenarbeit.

Zusammenfassend konnten die Vorträge und Debatten zahlreiche zusätzliche Forschungsansätze identifizieren und vor allem kulturelle und politische Faktoren, die die mediale grenzübergreifende Kooperation vor Schwierigkeiten stellen. Unterstrichen werden soll hier noch einmal, wie sehr das mediale Feld vom politischen abhängig ist, das wiederum Produkt einer singulären Geschichte ist, die nach wie vor aus nationaler Perspektive erlebt wird.